(Ein ehrlicher Blick auf den Hype, die Zweifel und die Erfahrungen mit dem neuen Online-Riesen)
Als ich zum ersten Mal von Temu hörte, war ich skeptisch. Eine App, die Kleidung, Technik, Deko und Küchengeräte zu Spottpreisen anbietet – und das alles mit kostenlosem Versand? Es klang zu schön, um wahr zu sein.
Aber Neugier ist bekanntlich stärker als Skepsis. Also habe ich, wie viele andere, irgendwann auf „Jetzt kaufen“ geklickt. Heute, nach mehreren Bestellungen und Gesprächen mit Freunden, kann ich sagen: Temu ist faszinierend – aber nicht ohne Schattenseiten.
Der kometenhafte Aufstieg
Temu ist noch gar nicht so lange auf dem deutschen Markt. Der Shop gehört zum chinesischen Konzern PDD Holdings, der auch die Plattform Pinduoduo betreibt – eine der größten E-Commerce-Plattformen in China.
Seit Ende 2022 hat Temu Europa erobert: grelle Werbung auf TikTok, Gutscheine bei jeder Anmeldung, Preise, die selbst bei Shein Kopfschütteln auslösen.
Innerhalb weniger Monate wurde Temu zu einer der meistgeladenen Shopping-Apps in Deutschland. Laut Statista lag Temu 2024 unter den Top 3 der beliebtesten Online-Shops bei jungen Erwachsenen.
Doch mit dem Hype kamen auch die Fragen:
- Ist Temu wirklich sicher?
- Was passiert mit meinen Daten?
- Und woher kommen eigentlich diese ultrabilligen Produkte?
Mein erster Eindruck
Meine erste Bestellung war ein Test: ein USB-Kabel, ein Hoodie und eine LED-Lampe – Gesamtpreis knapp 15 Euro. Das Paket kam nach zwölf Tagen an, ordentlich verpackt, alles funktionierte.
Zweiter Versuch: ein kleiner Bluetooth-Lautsprecher, der laut Beschreibung „wasserdicht“ sein sollte. Er war’s nicht.
Ich hatte Glück: Die Rückerstattung funktionierte problemlos, aber der Prozess fühlte sich unpersönlich an – wie bei einem Automaten.
Es war klar: Temu funktioniert, aber eben anders als klassische Shops. Kein Ansprechpartner, kein Telefonsupport, alles läuft über die App.
Was Kunden in Deutschland berichten
In Foren, Facebook-Gruppen und auf Trustpilot liest man eine bunte Mischung aus Begeisterung und Frust.
Viele Nutzer schreiben:
„Ich habe schon fünfmal bestellt, alles top, keine Probleme.“
Andere wiederum warnen:
„Billige Ware, unklare Herkunft, und der Kundenservice ist langsam.“
Auf Trustpilot hat Temu (Stand 2025) eine Bewertung von rund 4,0 von 5 Sternen – erstaunlich gut für eine Plattform, die im Billigsegment agiert. Die positiven Bewertungen loben vor allem die schnelle Rückerstattung und das Preis-Leistungs-Verhältnis.
Kritik gibt es dagegen für unklare Produktbeschreibungen, schwankende Qualität und fehlende Transparenz bei Herkunft und Material.
Wie sicher sind Bezahlung und Daten?
Das war auch meine größte Sorge. Ich habe beim ersten Einkauf bewusst PayPal gewählt – einfach, weil ich im Zweifel über den Käuferschutz abgesichert bin.
Und tatsächlich: Wenn man über PayPal, Klarna oder Kreditkarte bezahlt, ist das Risiko überschaubar. Temu nutzt verschlüsselte Zahlungswege und bestätigt jede Transaktion per E-Mail.
Problematisch wird es, wenn man persönliche Daten direkt über die App eingibt oder der App weitreichende Zugriffsrechte gibt.
Im Frühjahr 2024 veröffentlichte ein Bericht der BBC und später auch Business Insider, dass die Schwester-App Pinduoduo in der Vergangenheit wegen Datensicherheitsproblemen kritisiert wurde. Temu selbst dementierte, dass es dieselbe Struktur betrifft, doch die Skepsis blieb.
In Deutschland warnte die Verbraucherzentrale NRW im Sommer 2024 davor, Temu unnötige Berechtigungen auf dem Handy zu geben, insbesondere Zugriff auf Kontakte und Standort.
Kurz gesagt: Beim Bezahlen ist Temu relativ sicher – beim Datenschutz bleibt ein ungutes Gefühl.
Qualität der Produkte – Glückssache mit System
Eines muss man Temu lassen: Die Auswahl ist gigantisch.
Aber wer einmal länger durch das Sortiment scrollt, merkt schnell: Viele Produkte ähneln sich, wirken wie Kopien bekannter Marken – nur ohne Logo.
Und genau das ist das Geschäftsmodell. Temu ist eine Plattform, kein klassischer Händler. Jeder Artikel kommt von einem Drittanbieter, meist einem kleinen chinesischen Hersteller.
Das erklärt, warum die Qualität so stark schwankt.
Einige Sachen überraschen positiv – zum Beispiel meine LED-Lampe, die seit Monaten tadellos funktioniert. Andere Artikel dagegen fühlen sich billig an oder gehen nach kurzer Zeit kaputt.
In einer Facebook-Gruppe schrieb eine Nutzerin:
„Ich habe für 80 Euro bestellt – 60 Euro davon war Schrott, aber 20 Euro waren wirklich gute Schnäppchen.“
Das fasst Temu eigentlich perfekt zusammen.
Der psychologische Trick hinter dem Erfolg
Warum bestellen so viele Menschen trotzdem?
Weil Temu perfekt mit unserem Belohnungssystem spielt. Die App zeigt ständig „nur noch 2 Stück verfügbar“, „Rabatt endet in 00:05:12“ oder „Du hast 10 % Bonus freigeschaltet“.
Es fühlt sich nicht an wie Online-Shopping, sondern wie ein Spiel – mit kleinen Dopamin-Schüben bei jedem Klick.
Ich habe das selbst gemerkt: Nach der dritten Bestellung öffnet man die App einfach aus Gewohnheit, nicht, weil man etwas braucht. Genau darauf setzt Temu.
Ist Temu also seriös?
Wenn man unter „seriös“ versteht, dass man seine Bestellung erhält, das Geld sicher bezahlt und bei Problemen eine Erstattung bekommt – dann ja, Temu ist seriös.
Wenn man unter „seriös“ aber Transparenz, Nachhaltigkeit, Datenschutz und faire Produktionsbedingungen versteht – dann nein, nicht im klassischen Sinn.
Temu bewegt sich irgendwo dazwischen: rechtlich sauber, wirtschaftlich effektiv, moralisch ambivalent.
Die Stimmen der Kunden
In einer Umfrage des deutschen Portals CHIP Online gaben 67 % der Befragten an, sie hätten Temu ausprobiert – 45 % würden erneut bestellen, 30 % wahrscheinlich nicht.
Die häufigsten positiven Punkte waren:
- Sehr niedrige Preise
- Überraschend schneller Versand
- Einfache Rücksendung
Die häufigsten Kritikpunkte:
- Unklare Produktqualität
- Datensicherheitsbedenken
- Fehlende Transparenz bei der Herkunft
Ich finde, diese Zahlen spiegeln genau das wider, was man in den Foren liest – Neugier trifft auf Misstrauen.